Das Jahr 2021 war ein Klimajahr der Widersprüche: Abgelehntes CO2-Gesetz, eine weitgehend erfolglose 26. Ausgabe der Weltklimakonferenz in Glasgow und gleichzeitig der Wunsch der Schweizer Bevölkerung nach mehr Klimaschutz. Beim Rück- und Ausblick im Podcast «auf null.» wird klar: Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, brauchen wir eine Vision. Für eine Politik der kleinen Schritte ist es jetzt zu spät.
2021: Ein Wechselbad der Gefühle
Hinter dem Team der Gletscher-Initiative liegen zwei sehr unterschiedliche Halbjahre. In den ersten sechs Monaten kämpften wir für ein JA zum CO2-Gesetz. Wir waren in unserem Element: Unser Team liebt die schnelllebige und spontane Kampagnenarbeit. Gross war die Enttäuschung am 13. Juni. Schnell überwiegte aber das Gefühl «Jetzt erst recht!». Die Unterstützung für die Gletscher-Initiative war in den Wochen nach der Abstimmung immens: Im Nu war unser Fahnen-Lager plötzlich leer. Die positive Dynamik zeigte sich am grossen Echo bei unseren Aktionen: Am 12. September bestiegen über 500 Unterstützer:innen auf 23 Gletscher-Initiative-Wanderungen Berge, Täler, Wälder und Städte.
Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) entschied, einen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative auszuarbeiten. Doch gegen Ende des Jahres machte sich Ernüchterung breit. An der bereits 26. Weltklimakonferenz glänzten die Bundesrät:innen mit Forderungen gegenüber anderen Staaten anstatt die eigenen Ziele hoch zu stecken. Als Reaktion darauf beschlossen wir, eine Petition für wirksamen Klimaschutz zu starten. Nach nur zwei Wochen reichten wir über 10’000 Unterschriften ein. Eine Antwort steht noch aus. Auch mit der Neuauflage des CO2-Gesetzes, welches Bundesrätin Sommaruga am 17. Dezember vorgestellt hat, werden wir nur minimale Schritte vorwärts kommen. Die Untätigkeit der Politik macht uns Sorgen. Das ist nicht die Art Klimapolitik, wie wir sie uns vorstellen.
Herausfordernde Planung
Um den Druck von unten für eine wirksame Klimapolitik zu erhöhen, muss die Unterstützung für die Gletscher-Initiative weiter ausgebaut werden. Dabei sind wir – wie andere Initiativ-Projekte auch – mit zwei Herausforderungen konfrontiert: der Abhängigkeit von politischen Entscheiden und die dadurch verursachte Planungsunsicherheit.
Wird der indirekte Gegenvorschlag genügen, den das Parlament ausarbeitet? Werden wir schlussendlich über die Gletscher-Initiative abstimmen oder können sich alle hinter das vorgeschlagene Gesetz stellen? Und falls abgestimmt wird – ist dies 2023 oder 2024 der Fall? Wir wissen es nicht. Auf diese Fragen werden wir nur sehr kurzfristig Antworten erhalten. Entsprechend gehören das schnelle Umdenken sowie die flexible Planung zu unserem Arbeitsalltag. Um uns und allen unseren Unterstützer:innen einen Zeithorizont zu geben, planen wir zur Zeit mit einem Abstimmungsszenario für Juni 2023. Wir erwarten also, dass das Parlament vorwärts macht! Gleichzeitig werden wir die Mobilisierungskraft für die Gletscher-Initiative weiter ausbauen. Und das nicht erst 6 Monate vor der Abstimmung, sondern bereits im nächsten Jahr.
Drei Wünsche für das neue Jahr
Für eine erfolgreiche Initiative braucht es nicht nur 100’000 Unterschriften, sondern einen langen Schnauf. Seit mehr als zwei Jahren hängen 25’000 Fahnen der Gletscher-Initiative in der ganzen Schweiz. Nun ist es Zeit, langsam aber sicher auf die Zielgerade abzubiegen. Dabei können wir jede erdenkliche Unterstützung gebrauchen. Trotz der langen Projektdauer und trotz Corona wünsche ich mir von uns allen, allfällige Ermüdungserscheinungen beiseite zu legen, neue Energie zu sammeln und den Druck zugunsten der Gletscher-Initiative weiter zu erhöhen.
Um wieder eine Perspektive in der Klimakrise zu haben, wünsche ich mir im neuen Jahr ein ambitioniertes und schnell arbeitendes Parlament. Wir brauchen rasch zukunftsweisende Lösungen. Der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative gibt den Parlamentarier:innen die Möglichkeit, neue und langfristige Ziele und Massnahmen zu erarbeiten. Die Mitglieder der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S) haben es in der Hand, wie schnell der definitive Gegenvorschlag vorliegt und die Differenzen bereinigt sind.
Wir können die Klimakrise nur bewältigen, wenn wir alle unseren Beitrag leisten. Die Schweiz hat viel zu gewinnen, wenn wir – und damit meine ich die Politik, die Gesellschaft und die Wirtschaft – mutig genug sind, nach vorne zu schauen und ambitioniert zu handeln. Die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Genau das wollen wir mit der Gletscher-Initiative erreichen. Ich wünsche mir eine von vielen Menschen geteilte Idee für eine Netto-Null-Gesellschaft im Jahr 2050, eine neue Vision für den Schweizer Klimaschutz. Denn eines ist klar: Kleine Schritte bringen uns in der Klimapolitik nicht weiter.
Möchtest du noch mehr über meinen persönlichen Jahresrück- und Ausblick erfahren? Dann höre Folge 3 unseres Podcasts «auf null.».